Die FDP ist mehr als skeptisch, ob eine Bebauung des Geländes hinter dem Bahnhof sich für eine Wohn-Bebauung eignet. Die FDP hat sich ursprünglich für ein Gewerbegebiet an dieser etwas von der heutigen Siedlungsstruktur abgetrennten Stelle zwischen den Bahngleisen und der Bundesstraße 449 ausgesprochen. Das ging aus zwei Gründen nicht: Zum Einen hat Mühltal die im Regionalplan genehmigten Gewerbeflächen bereits ausgeschöpft, zum anderen handelt es sich um einen Grüngürtel mit Frischluftschneise, der nur zu Gemeinwohlzwecken bebaut werden darf. Und Gewerbeflächen stellen keine Gemeinwohl dar, wohl aber eine Wohnbebauung.
Zum Thema Wohnbebauung war die Frage der Abgelegenheit (Innen- oder Aussenbereich) zu prüfen. Das Bauplanungsamtes des Kreises hat klar festgelegt, dass es sich bei dem Gelände um einen Teil der örtlichen Bebauung handelt, es sich also um einen sogenannten Innenbereich handelt, der nicht nur bebaut werden darf, sondern sogar sollte. Damit sind die Rahmenbedingungen für eine Bebauung mit Wohnungen gelegt. Wir freuen uns nicht über die Aussagen der Fachstellen; wie respektieren aber den Sachverstand der Fachleute.
Ob das Bauvorhaben wirtschaftlich sein wird, hat die Gemeindevertretung nicht zu beurteilen. Das ist Sache des Investors. Wenn ein Gewerbebetrieb sich hier ansiedeln möchten, dann prüfen wir ja auch nicht, ob das geplante Produkt wirtschaftlich ist. Was wir aber vorgeben können, ist die Art und Weise der Bebauung. Die FDP steht zu den Rahmenbedingungen, die mit einem der vorherigen Investoren vereinbart wurden: Ausreichend Stellplätze lt. Mühltaler Stellplatzsatzung, 50 zusätzliche P&R-Parkplätze für die Bahnhofsbesucher, 30% der Fläche für sozialen oder preiswerten Wohnungsbau. Hinzu kommen Maßnahmen zur verkehrlichen Anbindung des Gebietes.
Auf Antrag der FDP und mit Unterstützung von SPD und CDU hat die Gemeindevertretung nun vorgegeben, dass es ein „Vorhabenbezogenes Bauleitplanungsverfahren“ gibt. Mit diesem sperrigen Begriff ist gemeint, dass der Investor alle Kosten der Aufstellung eines Bebauungsplanes tragen muss. Er wird dazu einen konkreten Vorhaben- und Erschließungsplan vorlegen, der dann in einer Bürgerversammlung mit den Bewohnern aus Nieder-Ramstadt und Traisa vorgestellt und diskutiert wird. Die Ergebnisse fließen in einen Durchführungsvertrag ein, der schon genau Art und Umfang der Planung festlegt. An diesen Durchführungsvertrag ist der Investor gebunden. In diesen Vertrag werden auch verbindliche Termine eingearbeitet.
Mit der Kirk-Gruppe ist der 5. Investor für dieses Bauprojekt aktiv. Der Ort ist auch deshalb besonders interessant ist, weil der Investores öffentliche Fördergelder aus dem sogenannten „Frankfurter Bogen“ bekommt. Mit diesem Projekt will die Stadt Frankfurt ihre Wohnungsprobleme lösen, indem in anderen Gemeinden, wie jetzt in Mühltal, Wohnungen für Frankfurter gebaut werden. Voraussetzung der Förderung ist, dass man in 30 Minuten zum Frankfurter Hauptbahnhof kommt. Und das klappt mit der VIAS ja genau.
Die FDP-Fraktion hat gute Gespräche mit Investor Kirk geführt. Wir haben von Anfang an und sehr klar unsere Vorstellungen geäußert, weil im Zusammenarbeiten mit einem Unternehmen, die rund 70 Mio € in Mühltal investieren will, eine verlässliche Zusammenarbeit unabdingbar ist. Über manche Positionen der FDP war der Investor nicht erfreut, hat aber dann letztendlich das Grundgerüst des Vorgehens akzeptiert. Das erkennen wir an. Diese offene Haltung wird auch weiter notwendig sein, um das Projekt zu einem guten Ergebnis zu führen. Wir werden laufend über den Projektfortschritt berichten.
Dokumentation: Änderungsantrag der FDP-Fraktion
Die Gemeindevertretung beschließt, die Schritte zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes mit Durchführungsvertrag zum geplanten Baugebiet am Bahnhof einzuleiten.
Der Vorhabenträger wird aufgefordert, einen verbindlichen Vorhaben- und Erschließungsplan für das Projekte „Bebauung Bahnhofsareal“ vorzulegen. Der Plan hat die mit Drucksache 2019/255 beschlossenen Eckpunkte umzusetzen, sowie zusätzlich eine Lösung zur verkehrstechnischen Anbindung vorzulegen.
Der Vorhaben- und Erschließungsplan wird nach der Bestätigung in der Gemeindevertretung in einer umfassenden Informationsveranstaltung den Bürgern in den betroffenen Ortsteilen Nieder-Ramstadt und Traisa vorgestellt. Sollten Anregungen sich zum Eckpunktepapier ergeben, wird in einem Workshop mit Vorhabenträger, Bürgern und Ortsbeiräten ein Konsens gefunden.
Auf Basis des Konsenses legt der Vorhabenträger in Schriftform eine Grundzustimmungserklärung mit Kooperationsvereinbarung vor. Diese Vereinbarung ist Teil des Aufstellungsbeschlusses und des darauf aufbauenden Bebauungsplanes.
Begründung
Das Instrument eines allgemeinen Aufstellungsbeschlusses ist für den vorliegenden Fall ungeeignet. Der allgemeine Aufstellungsbeschluss geht davon aus, dass die Gemeinde selbst auf eigene Kosten den Bebauungsplan erstellt. Da die Gemeinde in diesem Fall selbst federführend ist, ist gewährleistet, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger und deren Interessenvertretung in der Gemeindevertretung zur Geltung kommen.
Im Fall „Wohnbebauung Bahnhofsareal“ haben wir einen Vorhabenträger, der auf eigene Rechnung den Bebauungsplan erstellen wird. Die Gemeinde hat keine verbindlichen Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung des Bebauungsplanes. Es besteht nur die Möglichkeit, nach Fertigstellung des Bebauungsplan diesen abzulehnen und ggf. Nachbesserungen zu fordern. Diese Änderung zu einem solch späten Planungszeitpunkt ist für den Investor sehr kostenintensiv und verschlechtert die Wirtschaftlichkeit des Projektes.
Der Gesetzgeber hat in §12 Baugesetzbuch für die vorliegende Konstellation eines einzelnen konkreten Vorhabenträgers extra die Lösung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes mit einem vorhabenbezogenen Aufstellungsbeschluss geschaffen. Durch die vorgelagerte Erarbeitung einer Grundzustimmungserklärung und Kooperationsvereinbarung, die Teil des Aufstellungsbeschlusses sind, wird Rechtssicherheit sowohl für den Vorhabenträger als auch für die Gemeinde geschaffen.
Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist ein kooperatives Planungsinstrument. Es setzt voraus, dass der Vorhabenträger bereit ist, die Kosten für Planung und Erschließung zu tragen. Er ist ein wichtiges Dokument in der Stadtplanung, das sicherstellt, dass Bauvorhaben sowohl den rechtlichen Anforderungen als auch den infrastrukturellen Bedürfnissen gerecht werden. Durch die frühzeitige detaillierte Planung können mögliche Konflikte frühzeitig erkannt und gelöst werden, was zu einer reibungslosen Umsetzung des Bauvorhabens beiträgt.
Zusätzlicher Wohnungsbau ist wichtig und dringend. Jede Gemeinde sollte das in ihrer Macht stehende zur Beseitigung der Wohnungsnot leisten. Dabei dürfen jedoch keine Wohngettos entstehen, sondern es müssen Gebiete geschaffen werden, in denen die neuen Einwohnerinnen und Einwohner gerne wohnen und sich als Teil der dörflichen Gemeinschaft begreifen. Das wird eine erhebliche Kraftanstrengung bedeuten.
Nieder-Ramstadt hat heute rund 5.500 Einwohner oder 535 Einwohner je qkm. Mit dem Baugebiet Dornberg mit ca. 600 zusätzlichen Einwohnern und dem Baugebiet am Bahnhof mit 400 zusätzlichen Einwohnern erhöht sich die Einwohnerzahl um 1000 oder 18 % auf 6.500 Bürger. Es werden dann 632 Einwohnerinnen und Einwohner pro qkm hier leben. Das wird erhebliche Auswirkungen nicht nur auf die bestehende dann nicht mehr ausreichende Infrastruktur, sondern auch auf das Zusammenleben im dörflichen Umfeld haben.
Für die FDP ist es unabdingbar, dass eine solche erhebliche Veränderung nicht von „denen da oben“ entschieden wird, sondern eine umfassende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger angesichts der Bedeutung des Bauprojektes für Nieder-Ramstadt sichergestellt ist. Mit den Vereinen und sozialen Einrichtungen sind frühzeitig Konzepte zu erarbeiten, wie die geplanten 1.000 Neubürger (d.h. rund jeder 5. Einwohner wäre neu in Nieder-Ramstadt) in das heute sehr gut funktionierende Gemeinwesen integriert werden können. Für diese vorausschauende Integrationsarbeit werden Mittel erforderlich sein, die als Folgekosten vom Vorhabenträger getragen werden sollten.